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Psychologische Architektur
Am 4. und 5. April findet bei Leben mit Behinderung Hamburg die Tagung der Stifttung Leben pur zum Thema „Wohn- und Lebensräume von Menschen mit komplexen Behinderungen neu denken“m statt. Eine der Referent*innen ist Andrea Möhn aus Rotterdam. Mit ihrem Büro AM_A Andrea Möhn Architects gestaltet sie seit mehr als 25 Jahren Gebäude für Menschen mit komplexen Behinderungen. Wir haben mit ihr gesprochen.
Südring Aktuell: Frau Möhn, Sie sind auf Architektur für Menschen mit Behinderungen spezialisiert. Was hat Sie dazu veranlasst?
Andrea Möhn: Mein Großvater war Architekt und meine Mutter Modedesignerin; von ihnen habe ich die Faszination für Räumlichkeiten und Materialien. Zudem bin ich in einer sehr empathischen Familie aufgewachsen. Dies und die körperliche Behinderung meines Vaters haben mich im Kindesalter dafür sensibilisiert, hinter die Dinge zu schauen und mich zu fragen, wie Räume physisches und mentales Wohlbefinden unterstützen können.Dieses Bewusstsein war ganz früh da.
SRA: Was kann Architektur für Menschen mit Behinderung leisten?
Andrea Möhn: Architektur kann Geborgenheit und Wohlbefinden schaffen, durch räumliche Anordnung, natürliche Materialien, warme Farben, angenehme Akustik und sensible Lichtverhältnisse. Wichtig ist das Empfinden von Sicherheit: Gibt es Durchblicke? Habe ich den Überblick? Wenn ja, dann passiert innerlich etwas mit dem Menschen, er übernimmt die Regie im Sinne von Selbstermächtigung.
SRA: Was macht Ihre Arbeit so besonders und wie ist Ihre Herangehensweise?
Andrea Möhn: Da wir für Menschen gestalten, muss Architektur mehr als ästhetische oder technische Lösungen bieten. Sich mit allen Sinnen in andere hineinversetzen, dieser psychologisch-soziale Aspekt, ist vielleicht das Allerwichtigste. Meine Projektplanungen sind deshalb partizipativ angelegt, das bedeutet, ich nehme die Nutzer*innen mit ins Boot und veranstalte mit ihnen Workshops. Dort wird den Mitarbeiter*innen deutlich, wie sie die Klient*innen wahrnehmen, was diese brauchen und wie sie selbst gern arbeiten möchten. Auf diese Weise entstehen eine ganz eigene einfühlsame, psychologische Architektur und auch ein ganz anderes Commitment. Allerdings ist Raumgestaltung ein individueller Prozess, der auf die Persönlichkeit eingeht bzw. die Identität der Nutzer*innen: Je komplexer die Behinderung bzw. je größer die Verhaltensauffälligkeit, desto wichtiger ist eine maßgeschneiderte Umgebung.
SRA: Und wenn sich jetzt mehrere Menschen mit unterschiedlichen Bedarfen in gemeinschaftlich genutzten Räumen aufhalten, beispielsweise in Tagesstätten, wie verhält es sich dann?
Andrea Möhn: Da gibt es schon einen gemeinsamen Nenner. Die Räumlichkeiten müssen flexibel gestaltbar sein. Für Menschen mit herausforderndem Verhalten braucht es dann einen speziellen, geschützten Arbeitsbereich.
Foto: AM_A Andrea Möhn Architects
